Dienstag, 15. Oktober 2013

Helden des Alltags


Nachdem wir Projekte in den nördlichen Bergregionen Vietnams besucht haben, fahren wir am letzten Tag in Ho Chi Minh Stadt zu einem Zufluchtsort für Waisen und behinderte Kinder. Die Buddhistische Gesellschaft kümmert sich auf dem Gelände einer Pagode um Kinder, die vor ihren Toren abgelegt oder gar auf Märkten einfach ausgesetzt werden. Sie nehmen Waisen auf, geistig und körperlich behinderte sowie blinde Kinder. Sie bekommen ein Dach über dem Kopf, werden versorgt und können, sofern es ihnen möglich ist, in die nahe gelegenen Schulen gehen. Die gesamte Arbeit wird durch Spenden finanziert.


Die Pagode ist ein Zufluchtsort für verlassene Kinder
Foto: Kai Hartmann

Save the Children bietet bereits seit einem Jahr Kinderrechts-Trainings für sie an, um ihr Selbstbewusstsein zu stärken und damit sie sich gegen körperliche, seelische oder sexuelle Gewalt wehren können.
Kinder hören dem Kinderrechts-Training zu.
Foto: Kai  Hartmann

An einem dieser Trainings nehmen wir teil. Gemeinsam mit den Kindern erarbeiten die Save the Children Mitarbeiter in einem abwechslungsreichen Frage und Antwort-Spiel, was Gewalt gegen Kinder alles beinhaltet.
Kai wird von der Sav the Children
Trainierin gefragt, welche Arten von
Gewalt gegen Kinder es gibt.
Foto: Dalina Tischler

Am Ende markieren die Kinder mit grünen, gelben und roten Klebepunkten auf Plakaten die Körperpartien, die jeder Mensch (also auch Fremde) berühren dürfen (= grüner Punkt), nur manche Menschen wie Familienmitglieder (= gelber Punkt) oder tabu sind für Fremde (= roter Punkt).

Der Trainer bespricht mit  einem Kind,
wo Kinder von Fremden berührt werden dürfen.
Foto: Kai Hartmann
Danach zeigen uns die Mönche der Pagode die Räume, in denen die Kinder leben, die keiner mehr haben wollte. Als wir die Kinder in den Räumen sehen, kämpfen viele von uns mit den Tränen. Dicht aneinander stehen die Betten an den Wänden, es fällt kein Tageslicht in die ungemütlichen Räume aber liebevoll kümmern sich Freiwillige um ihre Schützlinge, die teilweise Pflegefälle sind, füttern sie, wickeln die Kleinsten oder spielen mit ihnen. 20 bis 25 Kindern leben in einem Raum, rund 150 Kinder werden in der Pagode versorgt.

Was kann Save the Children in einer solchen Umgebung noch für Kinder tun? Durch die Spende der IKEA Foundation können die Freiwilligen nun unter anderem in Körperpflege und Gesundheitsvorsorge unterrichtet werden. So erschreckend die äußeren Umstände erscheinen, noch viel dringender ist die Unterstützung der Menschen, die sich ganz uneigennützig um die Kinder kümmern. Denn sie werden mit einer Situation konfrontiert, die selbst gestandene ausgebildete Pflegekräfte herausfordern würde. Von ihrer Ausbildung werden auch die Kinder profitieren.
In dem Heim für Waisen und behinderte Kinder.
Foto: Kai Hartmann

Bei einem Gespräch mit den Mönchen fragen wir, wie sie diese Arbeit tun können, was ihnen Kraft gibt im Angesicht des Leids? Ihre Antwort: Die Situation so zu akzeptieren, wie sie ist und sie wissen, dass es ihre Bestimmung ist, hier zu arbeiten und zu helfen. Und es macht sie glücklich, dass sie diese Bestimmung erfüllen können.

Dieser letzte Besuch hat uns noch einmal gezeigt, wie vielfältig und groß die Herausforderungen in Vietnam sind, mit denen Save the Children und alle Beteiligten konfrontiert sind. Von den abgelegenen, armen Bergregionen im Norden, wo Kinder teilweise lange Fußmärsche auf sich nehmen, um zur Schule zu gehen bis in die Städte, in denen auf engstem Raum Menschen um ihren Platz im Leben kämpfen und dabei Kinder immer wieder aus dem Blickfeld geraten. Mit großem Respekt und tiefer Dankbarkeit verabschieden wir uns von den Helfern, die kleine Helden im Alltag sind.
Die Kinder der Pagode bedanken sich bei allen Helfern.
Foto: Kai Hartmann

Samstag, 12. Oktober 2013

Familientreffen und Kuscheltierproduktion

Phu Thay Ho Tempel am Westsee in Hanoi
Foto: Melanie Kallen

Gemeinsames Abendessen
mit der Familie von Long
Foto: Kai Hartmann
Wir haben von Hanoi mit einem gemeinsamen Abendessen mit Longs Familie Abschied genommen. Es blieb nicht viel Platz auf den Tischen für unsere Hände, weil unzählige leckere vietnamesische Speisen aufgetragen wurden. Der Rest der Gruppe verabschiedete sich früh, während Long noch lange mit seinen Verwandten zusammen saß. Aber er schaffte pünktlich am nächsten Morgen um vier Uhr am Taxi zu sein.

Nach zwei Stunden Flug landen wir in Ho Chi Minh Stadt, dem wirtschaftlichen Zentrum Vietnams. Es ist drückend schwül schon um acht Uhr morgens, doch die Leute hier tragen, weil es so kühl ist, Jacken. Saigon, wie Ho Chi Minh Stadt von den Einwohnern wieder genannt wird, ist moderner und größer als Hanoi. Und wer dachte, in Hanoi fahren viele Motorräder, hat Saigon noch nicht gesehen.

Eine Stunde später sind wir bei der Fabrik angekommen, die in Vietnam seit 12 Jahren Stofftiere für IKEA produziert. Wir lassen uns einmal durch den gesamten Produktionsprozess führen:
  1. Die Einzelteile werden aus dem Fell geschnitten.
  2. Muster und Augen werden aufgestickt.
  3. Die Einzelteile wurden auf links zusammen genäht.
  4. Die fertige Hülle wird umgedreht und zum ersten Mal auf Metallteile untersucht, z.B. abgebrochene Nadeln.
  5. Am Ende der Produktion werden die einzelnen
    Gemüse-Stoffspielzeuge zu einem DUKTIG
    Spielset zusammengefügt.
    Foto: Dalina Tischler
  6. Immer wieder werden stichprobenartig die Hüllen einem Reißtest unterzogen.
  7. Anschließend werden die Hüllen gefüllt und gewogen. 
  8. Die zweite Metallprüfung findet statt.
  9. Nun wird die letzte Naht per Hand geschlossen und das fertige Stofftier mit einer Bürste schön gemacht.
  10. Eine dritte Metallkontrolle folgt unmittelbar vor der Verpackung.
Wir haben viele Fragen zur Produktion und Arbeitsbedingungen gestellt und ehrliche Antworten bekommen. Der Lieferant ist nach vielen internationalen Standards zertifiziert und zahlt beispielsweise deutlich mehr als den gesetzlichen Mindestlohn und bietet ein kostenloses Mittagessen, weil er von langfristigen Arbeitsverhältnissen und motivierten Arbeitern profitiert. Denn das senkt auch die Ausschussquote. Das IKEA Einkaufsbüro hat zudem wöchentlich Kontakt mit dem Lieferanten, ist mehrmals im Jahr vor Ort und führt zusätzlich Prüfungen nach dem IKEA Verhaltenskodex IWAY durch.

Mittagessen in der Katine der Stofftierfabrik
in Ho Chi Minh Stadt
Foto: Kai Hartmann

Stofftiere sind fast ausschließlich Handarbeit, gemacht von Leuten, die gewissenhaft arbeiten und alles dafür tun, dass das Produkt Freude macht. Ein Stofftier ist halt nicht einfach irgendein Konsumprodukt und die Kollegen vom IKEA Einkaufsbüro erzählen, Stofftierlieferanten seien viel offener und freundlicher als Hersteller anderer Güter – das Spielzeug wirkt also auch bei ihnen.

Nähraum in der Stofftierfabrik - Foto: Dalina Tischler

Morgen werden ein Projekt für Waisen- und Straßenkinder besuchen, bevor wir zurück nach Deutschland fliegen. Mehr dazu am 15. Oktober hier im Blog.

Freitag, 11. Oktober 2013

Das Haus der fleißigen Blumen

Pham Thi Lai zeigt ihrer Tochter
Ly Thue Huye traditionelle Handarbeit
Foto: Kai Hartmann
.

00:00 – 06:30: laut hupende LKW auf der Verbindungsstraße zwischen der chinesischen Grenze und Hanoi, das Hotel liegt direkt an der Straße und hatte keine Fenster.

6:30 Uhr: warmes Frühstück mit der traditionellen Pho Suppe.

7:15 – 9:00: quer durch die Berge auf einer Straße, die immer wieder von Erdrutschen verschlammt ist.

9:00: Kinder der Son Thuy 2 Schule kommen aus dem Schulhof gerannt und begrüßen uns warm und herzlich und ziehen uns in das Lehrerzimmer.

9:05 – 9:30: Präsentation über die Schule und ihre Entwicklung im Projekt.

10:00 – 11:30: Singen, tanzen, spielen, basteln, handarbeiten, malen, Reisgericht zubereiten und Seilziehen bis es reißt mit Kindern, Lehrern und Eltern. Außerdem entsteht ein selbstgemaltes Kinderbuch, über ein verloren gegangenes Entchen, das seine Mutter sucht. Dalina bekommt es geschenkt.

12:00 – 13:00: Mittagessen mit Mitgliedern der Dorfgemeinschaft, uns taten vom lange Auf-dem-Boden-sitzen die Knochen weh. Wir haben nicht ganz so oft auf Freundschaft anstoßen müssen wie tags zuvor.

Auf dem Weg zur Son Thuy 2 Satellitenschule
Foto: Kai Hartmann
13:00 – 13:30: Fahrt zur Son Thuy 2 Satellitenschule. Vier Kilometer mit Auto, Motorradshuttle und Fußweg über Hängebrücke.

13:30: Wir werden von begeisterten Kindern von den Motorrädern gerissen.

13:31: Die Kinder zeigen uns stolz ihre Schule, die aus den Spenden der Stofftieraktion „1 Euro für Bildung“ errichtet wurde.


Stundenplan und Dankeschön-Plakette an der Son Thuy 2 Satellitenschule
Foto: Dalina Tischler


13:32: Die Kinder zeigen uns Wandbilder mit ihren Namen. Jedes Kind mit einer besonders guten Note bekommt eine Blume zu seinem Namen gesteckt. Stolz zeigen sie uns ihre Blumen. Die Schüler in der Satellitenschule sind besser als die in der Hauptschule.

Dalinas Name von 10-jährigen Schülern schön geschrieben
Foto: Dalina Tischler

13:34: Wir sehen wunderschön geschriebene Klassenarbeiten – wie gedruckt oder mit Kalligraphie geschrieben – es sind die Handschriften der Schüler der 3. Klasse.
Eine Schülerin der Son Thuy 2 Satellitenschule
zeigt stolz ihre ausgezeichnete Klassenarbeit.
Foto: Dalina Tischler



13:35 – 14:50: Singen, tanzen, spielen, basteln mit den Kindern – sehr schweißtreibend.

14:51 – 14:55: Laute Begeisterungsschreie, als wir die mitgebrachten IKEA Handpuppen der gesamten Schule schenken. Nur mit Mühe konnten wir die Puppen über die ausgestreckten Kinderhände an die Schulleiterin Do Chi Hang geben, die sie sofort lachend weitergab.
Schüler der Son Thuy 2 Satelittenschule mit uns Reisenden
Foto: Ngoc Long Tran


15:00 – 17:00: Fahrt nach Lao Cai an die chinesische Grenze, wo wir direkt gegenüber eine dringend notwendige Pause machen.

18:00: Abendessen mit Reissuppe und Lachs (wer will), Pommes und Enteneiern.
 
19:30: Pünktliche Abfahrt nach Hanoi mit dem klimatisierten Nachtzug.

23:59: Die Klimaanlage wird abgeschaltet, der Rest der Nacht ist Schweiß.
Als wir am heute Morgen um vier Uhr in Hanoi angekommen, sind die Straßen ausnahmsweise mal leer, doch auf dem Markt brummt schon das Leben. Wir brauchen erst mal eine kalte Dusche und eine Mütze Schlaf.
Sonnenuntergang an der Grenze zu China
Foto: Melanie Kallen
Geschrieben von Dalina Tischler, Melanie Kallen, Ngoc Long Tran und Kai Hartmann

Mittwoch, 9. Oktober 2013

Gut durchgeschüttelt auf dem steinigen Weg zu den Kindern



Nach einer schlaflosen Nacht im schaukelnden Zug von Hanoi nach Lao Cai an der chinesischen Grenze wurden wir von Save the Children Mitarbeitern in Jeeps empfangen. Letztere stellten uns noch auf eine harte Probe. Zum Glück war für das Frühstück keine Zeit mehr, unsere Mägen haben uns das gedankt. Denn wir wurden auf den schlaglochübersäten Wegen hin und her geworfen. Wegen einer Straßenblockade mussten wir eine Umleitung nehmen und haben dadurch wunderschöne Landschaften mit Reisfeldern, Wasserbüffeln, kleinen Straßenmärkten und zahllosen Schulkindern auf dem Weg zur Schule gesehen.

Schulkinder auf dem Weg zur Schule im Frühnebel.
Foto: Ngoc Long Tran
 
Nach drei Stunden Fahrt haben wir endlich die Kim Son 1 Zentralschule erreicht und wurden vom Empfang emotional überwältigt. Alle Schüler, ihre Eltern und Verwandten, die Lehrer, die ganze Gemeinde stand auf dem Schulhof und begrüßte uns. Eine Welle von Neugierde und Freundlichkeit überrollte uns. In einer Präsentation der Schulleiterin Nguyen Thi Duong sahen wir die Ergebnisse, die mit Hilfe der IKEA Foundation erzielt wurden: Sichtbar ist ein gemauertes Haus mit Klassenräumen als Ersatz für ein Bambushaus und spürbar sei das gestärkte Selbstvertrauen der Kinder.
Auf dem Schulof der Kim Son 1 Zentralschule,
im Hintergrund das neue Gebäude mit den Klassenräumen.
Foto: Kai Hartmann

Kai schaut genau hin, wie die Korbflechterin es macht
und probiert es später selbst.
Foto von Dalina Tischler.
Ein Schulfest wurde mit einem Tanz aller Kinder eröffnet, dann gab es Spiele, Basteln und Stocktanzen (Mua Sap). Wir stürmten ins Getümel, versuchten Körbe zu flechten, Sackhüpfen zu gewinnen und den Stocktanz zu machen (alles einigermaßen erfolglos, aber sehr zur Freude der Kinder und Lehrer). Nach einem langen Morgen bekommen wir endlich was zu essen und müssen mit allen Freundschaft anstoßen.
Dalina, Melanie und Lasse (im Hintergrund)
versuchen sich im Stocktanz
Foto: Ngoc Long Tran

Jede Schule hat auch Außenstellen in abgelegenen Dörfern, die teilweise nur zu Fuß erreicht werden können. Zu einer so einer Satellitenschule in Cao Son fahren wir, wo wir deutliche Unterschiede zwischen beiden Schulen sehen. Doch so klein und einfach die Schule auch ist, immerhin können die Kinder nah an ihrem Zuhause zur Schule gehen. Dort lernen sie in einem zweisprachigen Unterricht nach und nach Vietnamesisch, aufbauend auf der Sprache ihrer Volksgruppe.
Auf dem Weg zur Satellitenschule (Gebäude in der Mitte hinten)
in Cao Son. Foto: Kai Hartmann.


Wasserbüffel bei Cao Son. Foto von Melanie Kallen.
Wir haben der Schule ein Geschenk übergeben: Handspielpuppen und Stoffspielzeug von IKEA, mit dem der Unterricht lebendiger gestaltet werden kann. Einen letzten Abschiedsgruß bekommen wir am Ortsausgang von einem Wasserbüffel.

Geschrieben von Dalina Tischler, Ngoc Long Tran, Melanie Kallen und Kai Hartmann

Dienstag, 8. Oktober 2013

Der Hai mit dem Vollbart

Ein von Lehrern und Schülern selbst entworfenes Schulbuch
mit dem Titel "Freundschaft"
Foto: Melanie Kallen

Start war am Frankfurter Flughafen in der Goethe-Bar. Zehn Stunden mit wenig Schlaf, vielen Verrenkungen und guten Filmen. Eng ging es weiter im Taxi ins Hotel mit Verkehrssituationen, die wir so nicht kannten. Die Hupe ersetzt die Bremse und wofür gibt es eigentlich einen Blinker? Erstes Essen in einer vietnamesischen Bar "Hai Xom" (Der Hai mit dem Vollbart).

Im "Hai mit Vollbart"

Nach Frühstück mit exotischen Früchten und warmer kräftigender Suppe treffen wir die Kolleginnen aus Russland. Auf der gemeinsamen Fahrt zum Save the Children Büro geht es über volle Straßen, an gefühlt zehntausend Motorrollern vorbei.
Reale Gefahren im Straßenverkehr auf einem Graffiti
Foto: Kai Hartmann

Eine Einführung an Land, Leute und Projekte macht Hunger auf typisch vietnamesisches Essen. In einem altem Haus mit steiler Stiege geht es in den hinteren Raum, dort werden Dill, Frühlingszwiebeln, Fisch aus dem Roten Fluss, Reisnudeln sowie Soßen mit sehr ungewöhnlichem Geruch aufgetischt. Gut genährt geht es die Altstadt, durch Straße der Medizin, einer für Altarzubehör, eine für Farben und eine für Kinderspielzeug. Die Save the Children Mitarbeiter gaben den wichtigen Hinweis: "Einfach weitergehen, wenn ihr die Straße überqueren wollt. Die Mopeds und Autos werden schon anhalten." Es wirkt tatsächlich ...
Im Büro von Save the Children
Foto: Ngoc Long Tran
 Geschrieben von Dalina Tischler, Ngoc Long Tran, Melanie Kallen und Kai Hartmann